Mit ihrem leuchtend blaugelben Federkleid zählen Gelbbrustaras zu den schönsten Vögeln des tropischen Regenwalds. Im Zusammenleben mit Menschen stellen sie sehr hohe Ansprüche an Umgebung und Haltung.
„Niedlicher, wunderschöner Gelbbrustara-Papagei für Zuhause, DNA-getestet, verschmust, sehr neugierig, handzahm, intelligent, gibt Küsschen. Nur in gute Hände abzugeben.“ So oder so ähnlich lauten die Annoncen im Internet oder in Zeitungen, mit denen Züchter Ausschau halten nach potentiellen Kunden, die bereit sind, um die 1.000 € für den Kauf eines solchen Vogels auszugeben.
Eine Entscheidung und eine Umstellung fürs Leben
Niedlich? Neugierig? Verschmust? Handzahm? Wie ist eine solche Beschreibung zu werten? Immerhin handelt es sich bei Gelbbrustaras nicht um kleine, putzige Kätzchen, sondern um exotische Wildtiere mit einer Länge ungefähr 80 – 90 Zentimetern, einem Gewicht von bis zu 1.300 g und einer Flügelspannweite von einem knappen Meter. Karl Beer, der in Erbendorf seit 15 Jahren einen Blumenladen betreibt und vor Ort nur als Charly bekannt ist, weiß zu diesem Thema mehr. Er beherbergt nämlich in seinem Geschäft „Die Werkstatt – Blumen und mehr“ eine ganze Familie dieser farbenprächtigen Schönheiten: Vater, Mutter, Kind. Die Elterntiere bekam er vor 25 Jahren von einem Freund geschenkt. „Die zwei Papageien waren damals eine von mehreren Attraktionen bei der Eröffnung eines Gartencenters in unserer Gegend“, erzählt Charly. Doch fanden sich damals leider keine Käufer für die beiden exotischen Vögel. Aus der Not heraus habe ihn ein Freund, der in diesem Gartencenter beschäftigt war, angesprochen und gefragt, ob er sich nicht vorstellen könne, die beiden Papageien zu sich zu nehmen. „Es war kein leichter Entschluss und ich habe auch nicht gleich ja gesagt. Diese Vögel sind ja eigentlich im Urwald zu Hause und ich bin grundsätzlich gegen die Haltung solcher Tiere in Käfigen oder Volieren.“ Beer hält kurz inne. „Und dann ist das ja auch noch eine Entscheidung fürs Leben, immerhin können diese Papageien bis zu 100 Jahre alt werden.“ Schließlich gab aber sein Verantwortungsbewusstsein den Ausschlag und er nahm die Tiere zu sich.
Rückblickend war jedoch die „Anschaffung solcher Vögel“ nicht nur eine Entscheidung fürs Leben, sondern bedeutete auch eine Umstellung fürs Leben. „Natürlich ist es schon schön, wenn du morgens in den Laden kommst, sie sitzen auf der Stange, begrüßen dich mit einem Krächzen, warten schon auf einen Leckerbissen und du unterhältst dich mit ihnen.“ Aber es gebe eben auch viele weniger schöne Seiten, die man als Kunde beim Blumenkaufen nicht sieht. Sie dürften aber keinesfalls vergessen werden.
Nicht nur schöne Seiten
Und über diese weniger schönen Seiten beginnt dann Charly auch gleich zu erzählen, wobei er seine drei Schützlinge, die über ihm auf einer Holzstange balancieren und gerade gegenseitige Gefiederpflege betreiben, mit einer Mischung aus Respekt und Zuneigung im Auge behält. „Wenn man sie zum Beispiel ausschimpft, weil sie etwas angestellt haben, dann sind sie für mindestens eine halbe Stunde eingeschnappt und zeigen das auch ganz deutlich.“ Sie werfen mit Futter um sich und hacken mit ihren Schnäbeln zornig auf herumliegende Äste ein, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen fliegen. Will man sie dann mit einer Leckerei, z.B. einer Walnuss versöhnen, so ignorieren sie beleidigt das Friedensangebot. Oder versuchen sogar in den Finger zu beißen, der die Nuss hält. Ein anderes Beispiel: Gelbbrustaras sind intelligente Vögel, ihnen wird daher schnell langweilig. Also sollte immer für genügend Abwechslung gesorgt werden, egal ob in Form von frischen Ästen, Wurzeln oder sogenanntem Intelligenzspielzeug. Denn ist ihnen erst einmal langweilig, suchen sie sich auf eigene Faust die passende Abwechslung. Und dabei machen sie keinen Unterschied zwischen einem Holzast und dem antiken Massivholz-Bauernschrank, der im Wohnzimmer steht. Gewöhnungsbedürftig ist auch ihr Umgang mit Futter. Im Urwald lassen die Papageien Reste von Früchten und Sämereien einfach zu Boden fallen, wo sie andere Tiere bereitwillig auflesen und weiterverwerten. Ganz wie im Urwald gehen die drei Gelbbrustaras auch in der Erbendorfer Blumenwerkstatt mit dem Futter um: nämlich höchst verschwenderisch. Orangenspalten werden ausgelutscht und zu Boden geworfen, die Futterschale mit Körnern wird mit dem Schnabel so vehement bearbeitet, dass der Inhalt überall im Umkreis zu finden ist, „nur nicht mehr in der Schale.“ Und wie um zu demonstrieren, dass Charly keineswegs übertreibt und die Sache mit der Verwüstung durchaus der Wahrheit entspricht, durchbricht plötzlich ein lautes Krächzen und Kreischen die Ruhe, Obstteile und Körner fliegen zu Boden und ein Elterntier versetzt dem Jungen einen kräftigen Schnabelhieb. Mit einem kurzen Pfiff gefolgt von mahnenden Worten ruft Charly die Drei zur Ordnung. Sie reagieren darauf mit noch lauterem Krächzen und Kreischen. Dann verlässt das Trio wie auf Kommando eilig den Futterplatz und fliegt die vier Meter zum Nest, das sich in luftiger Höhe auf einem Holzzwischenboden befindet. Eingeschnappt verschwinden die Eltern sofort in der Nisthöhle, der viermonatige Jungvogel, den man noch gut an seinem grauen Federflaum am Hals erkennt, beginnt zwischen den Holzbrettern herumzuturnen. Nach dem lautstarken Tohuwabohu ist wieder Ruhe eingekehrt.
„Wou kumsd denn du her?“
Regelmäßig wird Charly von seinen Kunden gefragt, ob denn seine bunten Freunde sprechen können, weil viele Papageien durchaus über eine gewisse Sprachbegabung verfügen. Doch in Bezug auf die Sprechfertigkeit gibt es große Unterschiede. Auf einer „Rangliste mit den fünf bestsprechendsten Papageienarten“ steht der Gelbbrustara ungefähr an dritter Stelle. Hinter der Amazone und hinter dem Graupapagei. „Meine Papageien sprechen nicht. Das liegt wohl auch daran, dass sie unter sich eine Gemeinschaft bilden, sie sind eine Familie und sie beschäftigen sich miteinander“, sagt Charly und erklärt dann auch noch gleich die Sache mit der Handaufzucht: „Werden die Eier von den Elterntieren ausgebrütet und die Küken von ihnen auch selbständig aufgezogen, dann sind die Kleinen dem Menschen gegenüber nicht besonders zutraulich. Sie wahren immer eine bestimmte Distanz.“ Bei Züchtern würden dagegen oft die Eier dem Gelege entnommen, anschließend von einem Brutapparat ausgebrütet und die Küken von Menschenhand großgezogen. „Die jungen Papageien sind dadurch auf den Menschen geprägt, er ist das Objekt ihrer sozialen Beziehungen“, erklärt Charly. Sie könnten später aber auch nicht in eine Papageiengruppe integriert werden, eben weil sie „andere Vögel als Fremdkörper sehen.“ Diese Handaufzuchtaras seien sehr anschmiegsam, ja sie würden sogar „mit ihrem Menschen“ richtiggehend kuscheln, weil er ihre Bezugsperson ist. Er ist ihr Partner und in ihn haben sie sich quasi verliebt, sie balzen und turteln und versuchen sogar ihn zu füttern. Eben durch diesen engen Kontakt seien diese handzahmen Gelbbrustaras natürlich auch sprechwilliger.
A apropos sprechwillig. Unvermittelt fängt Charly an zu lachen und erzählt von einer Bekannten, die auf Teneriffa im Urlaub einen Vogelpark besuchte und dabei an einer großen Voliere mit Gelbbrustaras vorbeikam. Gerade als sie stehen blieb, um sich die das Ganze näher anzusehen, wurde sie von einem dieser farbenprächtigen Vögel mit den Worten angesprochen: „Wou kumsd denn du her?“. Auf Nachfrage – übrigens nicht beim sprechenden Gelbbrustara, sondern beim Personal des Parks – erfuhr sie, dass die Bewohner dieser Voliere ungefähr sechs Monate lang von einem Tierpfleger aus der Oberpfalz betreut wurden und er den Papageien genau diesen Satz beibrachte.
Inzwischen hat die kleine Familie fast unbemerkt den Zwischenboden wieder verlassen. Hintereinander hangeln sich die bunten Vögel in Richtung Futterplatz auf der Holzstange entlang. Charly greift in eine Schublade und hält jedem von ihnen eine Versöhnungswalnuss hin. Ohne Zögern schnappen sie sich die Nuss mit ihrem Schnabel und knacken sie vorsichtig und äußerst geschickt unter Zuhilfenahme ihrer Krallen. Wieder versöhnt? Ja, na klar, wieder versöhnt!
Veröffentlichung: OWZ/08.02.2020